Samstag, 1. August 2015

Episode 37 - Tolerieren oder Akzeptieren ?

Hin und wieder ist es gar nicht so einfach über seinen eigenen Schatten zu springen und sich seinem Gegenüber anzupassen.
Das gilt für Partnerschaften genauso wie für das Leben im Allgemeinen. Früher oder später wird allerdings auch der größte Sturkopf feststellen, dass es ohne Kompromisse und Zugeständnisse nicht geht.

Als ich eines Abends, nach einer fast belanglosen Auseinandersetzung das Handy weg legte und die Schneeflocken vor dem Fenster beobachtete, begann ich über Toleranz nachzudenken. Immer wieder werden wir um Toleranz gebeten. Auf der Straße, im Fernsehen in unserer eigenen Beziehung. Tolerant zu sein, gilt als die beste, sympathischste Eigenschaft die ein Mensch besitzen kann.
In einer Zeit, in der große Fernsehsender einen "Tolerance Day" zelebrieren, in der selbst im bunten, weltoffenen Berlin an jeder Ecke nach Toleranz gekräht wird, scheint wahre Akzeptanz verloren gegangen zu sein.
Ich hatte das Glück, in einem Elternhaus aufzuwachsen, in dem mir von Anfang an beigebracht wurde, dass jeder Mensch angenommen und geliebt werden sollte.
Akzeptanz bedeutet jemanden anzunehmen, etwas anzuerkennen - wohingegen Toleranz im Duden mit "Duldung" erklärt wird.
Vieleicht tue ich mich daher mit dem Wort so schwer:
Ich finde einfach nicht, dass sich ein Mensch geduldet, sondern viel mehr angenommen fühlen sollte, aber dies nur kurz zu meinem einfachen Gedankengang.

Ich fragte mich, woher es kam, dass der öffentliche Ruf nach Toleranz mir langsam und allmählich auf die Nerven ging, unabhängig davon, für was sie erkämpft werden soll. Kann man Toleranz überdosieren?
Während ich diesen Gedanken noch formulierte, fragte ich mich, ob in dieser Frage nicht auch schon die Lösung steckte...
Egal ob ich den Fernseher einschaltete, bei Facebook surfte oder in eine Kneipendiskussion verwickelt war, es hatte immer etwas aggressives, provokantes, überspanntes.
Es schien unmöglich zu sein, während der Verteidigung des eigenen Standpunktes auch nur minimal Empathie für sein Gegenüber aufzubringen.
Im Gegenteil: da wurde beleidigt, belächelt und ignoriert.
Es war mehr als nur ironisch, dass oft die, die sich Toleranz erhofften, sehr untolerant wurden, wenn es um die Gefühle, Meinungen und Werte anderer Menschen ging.
Jeder gesunde Mensch trägt eine kleinere oder größere Portion Egoismus in sich, so viel steht fest.
Wie sollen wir aber im Leben oder in der Partnerschaft jemals dauerhaft mit einander zurecht kommen, wenn wir nur noch um eigene Duldung kämpfen, nicht aber bereit sind den Anderen von Herzen anzuerkennen und anzunehmen?
Je länger ich darüber nachdachte desto mehr stellte ich mein eigenes Verhalten in Frage. Verdammt. Das wollte ich eigentlich nicht.
Ich schielte zum Handy. Irgendwie grad doof gelaufen. Ziemlich viel "ich will..., du musst..., dein Problem ist..."
Es könnte alles so einfach sein, da hatte er recht. Aber wie bringt man sich wieder auf den richtigen Kurs, wie trainiert man Akzeptanz und woran merkt man, wann man zu viel einstecken muss? Wo ist die Beziehungswaage... oder noch besser, der Schiedsrichter, der zwischendurch immer mal wieder den aktuellen Punktestand rein ruft?
So wie beim Fechten, das fänd ich gut. Ein kleines Männchen, welches bei einem üblen Streit oder einer Diskussion aus dem Schrank springt und so etwas ruft wie "viiiiiier zuuuu seeeeeechssss, ich bitte um Ausgleich für die rote Seiiiteeee".

Inzwischen musste ich über das Telefonat fast lachen. Nein, es war nicht lustig und ja, an manchen Themen kann die ganze Beziehung zerbrechen.
Aber bei all den Konflikten in der Welt kam mir unsere Diskussion doch plötzlich sehr trivial vor...
Ich schrieb eine kurze "ich war doof, tut mir leid"-Nachricht und bekam kurz darauf eine "ja warst du... aber ohne Streit keine Versöhnung ;-)"-Antwort zurück.
Vielleicht liegt das Geheimnis eines friedlichen Miteinanders ganz einfach darin, den Anderen von Anfang an so anzunehmen und zu lieben, wie er ist. Und am Ende stimmt der alte Spruch dann wohl doch: man erntet was man sät. Wer Haß und Wut sät wird Haß und Wut ernten. Ich für meinen Teil bin mir sicher, dass es mit der Liebe und der Akzeptanz ganz genauso funktioniert.


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