Samstag, 25. Juli 2015

Episode 36 - Regen, Meer und Traditionen

Ich habe euch etwas vorenthalten. So wie man eine schlechte Mathearbeit unter ein gutes Diktat schiebt um es zwar auf den Tisch zu packen, es aber nicht ganz so offensichtlich zu machen. Man weiß, man muss sie irgendwann seinen Eltern zeigen, hat aber so gar keine Lust auf Fragen, Vorwürfe oder kluge Sprüche...

Es ist ein fieser Vergleich, denn Niko ist keine schlechte Mathearbeit, aber nach all den Episoden doch eine Art Tabu, über das zu schreiben mir nicht leicht fällt.

Ich würde gerne sagen, dass der Kontakt zu ihm wieder ganz langsam, vorsichtig und schleichend entstand, aber es war mehr wie ein Knall.

Von einem Tag auf den Anderen hatte ich das Bedürfnis ihm zu schreiben und er antwortete. Nach zwei Jahren, in denen ich mich dagegen gesträubt hatte, auf eine seiner Mails zu antworten hatten wir nun in zwei Wochen so viele Gefühle, Unsicherheiten und Worte ausgetauscht, dass wir es für unumgänglich befanden, uns zu sehen.

Es war ein seltsames Wiedersehen, wir waren beide sehr nervös, wir redeten die ganze Nacht durch, ohne etwas zu essen oder zu trinken.

Nach nur acht Stunden schien es, als hätten wir unsere komplette Vergangenheit aufgearbeitet und wären bereit, für eine gemeinsame Zukunft.

Ein Jahr sollte unsere Probezeit dauern bevor wir happy ever after und komplett offiziell vor all unseren Leuten zusammen leben wollten.

So vergingen die Monate.

Inzwischen war es Dezember geworden und wir planten einen Kurzurlaub. Nie zuvor hatten wir einen richtigen Urlaub zusammen gemacht.

Es war kurz vor Weihnachten als wir bei strömenden Regen ins Auto stiegen. Es regnete immer noch sinnflutartig als wir am Meer ankamen. Und als wir am nächsten Morgen aufstanden. Und als wir zu einem Spaziergang aufbrachen. Kurzum, es regnete die ganze Zeit.

Oft habe ich im Nachhinein darüber nachgedacht, was das besondere an diesem kurzen, völlig verregneten Ausflug war und ich kann es bis heute nicht 100 prozentig auf den Punkt bringen...

Es hat etwas damit zu tun, wie wir uns zusammen verhielten, wie wir auf der Veranda vor unserem Hotelzimmer saßen, eingewickelt in viele Decken und den Regen beobachteten. Wie er mich ansah wenn wir Abends im Hotel Restaurant essen gingen und wie er die Frage der Kellnerin, „möchten sie neben ihrer Frau oder ihr gegenüber sitzen?“, mit einem lächelnden „gegenüber ist gut“ beantwortete.

In solchen Momenten scheint die Vergangenheit wie ausgeblendet. Unvorstellbar, dass einer von uns je Zweifel hatte.

Es kam mir unwirklich vor wie wir, zurück in Berlin, auf der Couch lagen und Märchenfilme sahen. Es fühlte sich seltsam an, unseren Heiligabend durchzusprechen und uns auf Kartoffelsalat und Würstchen zu einigten.

Als ich am 24.12. heim kam stand das Essen schon auf dem Tisch. Ich mag Kartoffelsalat nicht wirklich, dieser aber war der Beste den ich je gegessen hatte und habe.

“Viel Mayonnaise ist das Geheimnis” sagte er grinsend “und ganz viel Liebe”.

Ich kannte Niko lange und gut genug, um diesem Satz nicht zu viel Bedeutung beizumessen, aber mir wurde in diesem Moment klar was ich fühlte.

Es war beängstigend und schön zugleich zu sehen wie wir unsere eigenen Traditionen starteten. Eine Art Neuanfang. Natürlich war es nur ein verregnetes Wochenende am Meer, natürlich waren es nur Märchenfilme auf der Couch die wir den ganzen Heiligabend sahen und natürlich war es “nur” selbstgemachter Kartoffelsalat, aber für mich war es in diesem Moment mehr. Es war der Beginn von uns. Unserer Zukunft.

Mir ist durchaus bewusst, dass ich hier von Kartoffelsalat schreibe. Kartoffelsalat ist banal, einfach zu machen und insgesamt sehr unspektakulär, aber vielleicht kann ein Katoffelsalat manchmal auch der Anfang von etwas Großem sein...


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