Samstag, 28. Juni 2014

Episode 20 – Wilder Mohn

Es war ein wundervoller freier Freitag. Der Morgen hätte nicht besser beginnen können. Ich hatte ausgiebig gefrühstückt, danach ein langes Bad genommen und später, die Uhr hatte nicht mal 12 geschlagen, saß ich mit einem Glas Hugo in der Hand und leicht angesäuselt auf meiner Couch und diskutierte mit meiner guten Freundin Serina über das Leben im Allgemeinen. Von Zeit zu Zeit liebe ich es Besuch zu bekommen. Man ist immer pünktlich, hat es gemütlich und manchmal, so wie jetzt, entpuppt sich ein kurzes Kaffe-Date zu einem der erfrischendsten und witzigsten Vormittage seit langem. Ein wenig später schlenderten wir meine Straße entlang. Wir hatten das Gefühl, ein wenig Bewegung täte uns nach dem morgendlichen Schwips ganz gut. Während ich verträumt vor mich hin stolperte erzählte Serina. Sie erzählte von ihrer Arbeit, sie erzählte von ihrer Familie, sie erzählte von dem dreiteiligen Roman, den sie gestern zuende gelesen hatte und dessen Ende sehr schön war, aber nicht ganz so schön wie es hätte sein können. „Zu hohe Erwartungshaltung“, sagte ich trocken. „Du liest ein Buch mit mehreren Teilen, du siehst eine Fernsehserie über Jahre und du siehst vor deinem inneren Auge wie es ausgehen sollte und dann ... pufff... Erwartung enttäuscht“: Als ich ein wenig später alleine nach Hause spazierte und ein paar Blumen am Straßenrand pflückte, begann ich über Erwartungen nachzudenken. Ist es nicht so, dass wir alle ständig mit einer bestimmten Erwartungshaltung durchs Leben gehen? Wir haben unsere Erfahrungen gemacht und wissen was "man" erwarten kann, was wir wollen und was wir uns erhoffen. Es ist dabei egal ob es um einen neuen Kinofilm, ein erstes Date oder eine Freundschaft geht. Nichts ist mehr neu, alles wurde schon mal erlebt - von uns, von Freunden und genauso oft wie unsere Erwartungen erfüllt werden, werden sie auch enttäuscht. In kleinen Dingen, so dass wir es kaum merken und manchmal auch in den Großen.. Ein Essen in einem schlechten Imbiss kann ganz überraschend wunderbar sein, während genau das gleiche Gericht in einem viel gelobten Sternerestaurant ungenießbar erscheint. Ich fragte mich, können wir fair und objektiv bleiben oder erfährt alles und jeder eine neue Bewertung, abhängig davon was wir uns hiervon versprochen haben. Und wenn wir wählen könnten, wäre es besser ohne Erwartungen durchs Leben zu gehen, sich einfach immer wieder überraschen zu lassen? Erwarten wir grundsätzlich zu viel? Von klein auf merken wir, welche Erwartungen auf uns lasten. Wir müssen in der ersten Klasse schon wissen was wir mal werden wollen wenn wir groß sind, wir werden spätestens ab dem 17 Lebensjahr regelmäßig gefragt ob wir einen festen Freund haben und wenn wir den haben, kommt spätestens ab Mitte 20 die regelmäßige Frage nach einer evtl. Verlobung, Hochzeit und Kindern. Ist es da ein Wunder, dass wir gut sortiert durchs Leben laufen, als hätten wir eine Checkliste die es abzuhacken geht. Im Bezug auf Männer, darauf, wie sich unser Leben entwickeln sollte, oder im Bezug auf unsere Freunde, ihr Verhalten oder ihre Reaktion auf bestimmte Ereignisse? Wir erwarte immer etwas, denn wir wissen wie wir es uns wünschen und sehen daher Verfehlungen oft als unverzeihliche Enttäuschung. Ich blickte auf die Blumen in meiner Hand. Mohnblumen. Untypisch und unerwartet, dass man so etwas am Straßenrand in Wedding pflücken kann. Und auch, wenn es bei den großen Dingen im Leben wohl nützlich und unvermeidbar ist eine gewisse Erwartungshaltung zu haben, so ist es doch um so schöner, wenn wir uns von den Kleinen Dingen überraschen lassen. Der Grünstreifen vor unserem Haus ist meistens halt nur ein mit Unkraut bewachsenes Stück Erde und keine Blumenwiese. Wenn wir das wissen und unsere Erwartung dem Anpassen, werden wir vielleicht überrascht sein, was für einen hübschen Strauß wir nach einem kleinen Spaziergang in der Hand halten.

Samstag, 21. Juni 2014

Episode 19 – die Kleiderregel

Es heißt, dass man jedes halbe Jahr seinen Kleiderschrank ausmisten soll. Hört man auf Modeexperten in Zeitschriften und Magazinen so sollte man alles, was man länger als zwölf Monate nicht getragen hat in die Kleidersammlung geben. Als ich heute früh meinen schwarze Rock mit den Falten suchte und ihn auch nach 30 Minuten nicht finden konnte, erinnerte ich mich schmerzlich daran, wie strikt ich diese oberste Regel aller Lifestyleexperten in den letzten Jahren eingehalten hatte. War es wirklich schon über ein Jahr her, dass ich diesen Rock getragen hatte und warum hatte ich in ausrangiert? Ich überlegte. Was war es, dass mich nun nach all der Zeit, in der ich den Rock kaum vermisst hatte, danach suchen lies? Bei Männern wie bei Mode scheint es mir so, als käme von Zeit zu Zeit eine gewisse Ahnungslosigkeit auf, warum man das gute Stück zum damaligen Zeitpunkt aussortiert hatte. Irgendwann, in einem Moment von Langeweile, Nostalgie oder Kreativität, plötzlich aus einer unerklärlichen Laune heraus erinnern wir uns plötzlich daran und überlegen, ob wir einen Fehler gemacht haben. Was war so falsch daran und warum haben wir damals diese Entscheidung so getroffen ? Natürlich hätten wir niemals unser Lieblingsstück weggegeben. Ich weiß blind, wo mein Sommerkleid von Halston Heritage hängt oder mein Rock von Anna Molinari liegt, den ich so mag. Lieblingsteile die einem schmeicheln, hängen meist ganz vorne, griffbereit auf Augenhöhe. Wenn wir also wissen, dass etwas nicht zu uns passt und wir es deshalb aus unserem Schrank, aus unserem Leben verbannen, warum vermissen wir es dann irgendwann? Warum verlieren wir überhaupt einen Gedanken daran? Ich sprach vor einigen Tagen lange mit der Schwester von Niko. Über Liebe das Leben die ausrangierten Männer unserer Vergangenheit. Es war schön, denn schlussendlich ist jede Trennung ja auch meist ein Abschied von der Familie in der man begonnen hatte sich wohl zu fühlen. Es ist wohl Nostalgie, stellten wir fest. Die Erinnerung die wir mit etwas verknüpfen, dass in der Phantasie besser zu werden scheint, je weiter es in der Vergangenheit liegt. Die Erinnerung an etwas, das wir vor langer Zeit mal für eine gute Idee gehalten haben und doch gemerkt haben, dass es, um es mit den Worten von Herrn Guido Maria Kretschmer zu sagen, „nichts für uns tut“. Während ich mit einer guten Freundin durch die Geschäfte unserer Hauptstadt schlendere und ein paar ähnliche schwarze Faltenröcke betrachte, hier und da mal einen anprobiere wird mir klar, was ich damals schon wusste: Faltenröcke tragen auf und tun so rein gar nichts für meine Figur. Sie sind vielleicht theoretisch eine gute Idee, aber in der Praxis bin ich wohl mit etwas anderem besser bedient. Wie schön dass diese Stadt so viele andere Möglichkeiten bietet. Im Bezug auf Mode und im Bezug auf Männer.

Samstag, 14. Juni 2014

Episode 18 – Eigenheim, Glück allein

Es hatte etwas ironisches, diese Statistik heute in der Zeitung zu sehen, kurz nach dem Gespräch mit Kathi und kurz, nachdem ich die Geschichte von Marens Freunden gehört hatte. Es begann alle mit der Geschichte von Maren. Freunde von ihr hatten sich vor einiger Zeit einen alten Bauerhof gekauft und angefangen, diesen zu restaurieren. Nach außen erschien alles perfekt, bis er sich immer besser mit einer gemeinsamen Freundin verstand... es kam wie es kommen musste: zum Schock aller Freunde trennte sich das junge Elternpaar und stand nun vor der Entscheidung was mit dem Bauernhof passieren solle... einige Tage später, bei einem Spaziergang mit meiner Freundin Kathi kamen auch wir auf dieses Thema. Die Aufnahme eines Kredits, der Bau eines Hauses oder der Kauf einer Immobilie sei eine schwere Belastung für eine Beziehung und ein hohes Risiko für eine Trennung so Kathis Theorie. Und dann heute dieser Artikel in der Zeitung: „Der Traum vom Eigenheim zerstört deutsche Ehen“ Laut Zeitungsartikel sei eine Vielzahl unvorhergesehener Vorkommnisse der Grund für Trennungen rund um das Eigenheim. Geldsorgen und Ratenzahlungen schaffen grundsätzlich natürlich erst einmal Druck und Unzufriedenheit. Geldsorgen zwingen Paare mehr zu arbeiten, sich teilweise einen Zweitjob zu suchen und dies bringt wiederum Menschen hervor, die gestresst und ausgebrannt sind. Bis hierhin verstand ich Kathis Theorie die durch diesen Artikel untermauert wurde. Ein Mammutprojekts erzeugt Druck, Unsicherheit, Angst... aber wieso führt dies zur Trennung eines Paares, dass sich doch nur wenige Monate vorher versprochen hat zusammen durchs Leben zu gehen. Sind wir wirklich Teil einer Gesellschaft, in der jeder nach eigener Verwirklichung strebt aber ohne Rücksicht auf Verluste die Flucht ergreift, wenn kleine Turbulenzen auftreten? Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Nikos Großmutter, die ich heute, da wir kein Paar mehr sind, sehr vermisse. Sie hatte mir damals einige Jahre nach ihrer goldenen Hochzeit erzählt, dass ihre Ehe nicht immer pure Glückseeligkeit war, es hätte immer wieder Phasen der Unzufriedenheit und Streitereien gegeben, „schlussendlich“ hatte sie damals gesagt „war es aber so, dass man sich keinen perfekten Partner schnitzte, sondern einen Menschen auswählte, mit dem man alle Schlachten gemeinsam kämpfen konnte. Mit dem man die Angst teilen konnte, an den man sich anlehnen konnte wenn man von einem 16 Stunden Tag nach Hause kam. Man konnte es damals nicht allein schaffen und daher brauchte man jemanden der einem dabei hilft.“ Nie hat etwas mehr Sinn für mich gemacht, als diese Aussage damals. Als Kind hatten wir den natürlichen Instinkt uns gerade dann, wenn es schwierig oder gefährlich wurde, an unsere Freunde zu halten. Es ist völlig selbstverständlich, dass wir uns Verstärkung holten, wenn uns jemand auf dem Pausenhof Ärger machte und wir haben keine Sekunde gezögert, uns in eine Schlägerei zu stürzen wenn unsere Freunde Hilfe brauchten. Was hat sich also von früher bis heute geändert? Warum fällt es so vielen Paaren so schwer an dieser Herausforderung als Team zu wachsen, sich nach dem Zweitjob und einem langen Arbeitstag gegenseitig einen Ort der Ruhe und der Zuflucht zu sein, die Ängste zu teilen, in dem Wissen, dass man das Glück hat, sie nicht alleine schultern zu müssen? Ich verstehe einfach nicht, wie man die Lösung für seine Probleme in so einer Situation bei einem anderen Menschen als bei seinem Partner suchen kann, mit dem man doch gemeinsam diese Herausforderung angenommen hat. Um es ganz einfach zu machen: es ist so, als würde ein deutscher Spieler beim WM-Finale in der Halbzeit plötzlich zur gegnerischen Mannschaft wechseln, weil die irgendwie grad besser spielen. Abgesehen vom Vertrag den er unterschrieben hat und abgesehen vom Geld, waren da ja noch die vielen Trainingseinheiten mit seiner Mannschaft durch die er sich gequält hatte. Und was ist mit den vielen schönen Momente die man im Team erleben durfte und nicht zuletzt waren da ja die zahlreichen Spiele, die man mit seinen Kollegen im Vorfeld gewonnen hatte um überhaupt bis ins Finale zu kommen - jeder Deutsche würde diesen Spieler verachten, denn es steht außer Frage, dass man nicht die Fronten wechselt, wenn es mal schwierig wird. Fragen sie mal einen eingefleischten Bayern-Fan, ob er nach einer Niederlage zu einer anderen Mannschaft überlaufen würde... Gerade wenn es mal nicht so glatt läuft, muss man zu seinem Team stehen. Gerade, wenn ein Team ein paar Niederlagen einstecken musste, braucht es seine Fans mehr als sonst. Schön, dass das beim Fußball so klar ist...

Samstag, 7. Juni 2014

Episode 17 – alte Zöpfe

Coco Chanel hat mal gesagt „eine Frau die sich die Haare schneiden lässt, ist kurz davor ihr Leben zu ändern“ ...ich habe mich, auch wenn ich voller Bewunderung auf diese große Dame der Modewelt blicke, immer gegen diese Aussage gesträubt. Es kommt mir so abgedroschen vor... und doch muss ich genau an dieses Klischee denken, während meine Haare gewaschen werden. Die ersten 20 cm schnitt die bezaubernde ältere Dame, ohne mit der Wimper zu zucken, schon vor der Haarwäsche ab. „Möchten sie den Zopf behalten?“ fragt sie freundlich. Anscheinend gibt es tatsächlich Leute die ihre alten Zöpfe wieder mitnehmen. Irgendwie seltsam. Wenn so ein Friseurbesuch doch angeblich den Neuanfang markiert, warum dann an Altem festhalten? Verliert man 15 Kg, entsorgt man voller Stolz die viel zu großen Klamotten, trennt man sich von seinem Partner, richtet man ihm ja auch kein Gästezimmer in seiner neuen Wohnung ein, warum also dieses emotionale Getue um Haare? Für mich war der Gang zum Frisör schon immer emotionslos und ausschließlich praktischer Natur. Meine langen Haare nervten mich und ich musste nicht lange überlegen, bis ich den Termin bei dem kleinen Frisörsalon machte. Für mein Umfeld hingegen schien dies ein weit größeres Drama zu sein und das amüsierte mich. Von besorgten Blicken („bist du dir ganz sicher..?“) bis zu bestürzten Überredungsversuchen („maaaach das niiiiicht!!!“) war alles dabei. Ich habe viele meiner Mädels in den vergangenen Jahren beobachtet, wie sie nach Trennungen, Kündigungen oder Umzügen ziemlich radikale Sachen mit ihren Haaren anstellten. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, ich habe es alles gesehen: Dauerwellen, von lang nach ultra kurz, von hell nach dunkel, von dunkel nach hell (oder in dem Fall Karotte), schlechte Extensions, gute Extensions ... ich habe wirklich alle schönen und unschönen Dinge gesehen die eine Frau im Wandlungswahn auf ihrem Kopf fabrizieren kann. Ich kenne aber auch das Gegenteil: Die Frauen die Tag ein Tag aus die gleiche Frisur, den gleichen Schnitt, die gleiche Farbe haben. Immer. Jeden. Einzelnen. Tag. Und während mir gerade der Conditioner einmassiert wird und die freundlich Dame mich fragt, wie ich auf die Idee gekommen bin meine Haare von ziemlich lang auf ziemlich kurz zu ändern, wird mir klar, dass es nie nur um Haare geht. Es muss auch nicht darum gehen, sich von Altem zu verabschieden oder einen Neuanfang zu starten. Vielleicht geht es oft einfach nur darum, unmissverständlich zu zeigen wer man ist. Es ist nicht der Wunsch das eigene Leben zu ändern, es ist ein Versuch sich selbst klarzumachen was man darstellen möchte. Völlig logisch, dass dieses Bedürfnis gerade dann besonders stark ist, wenn eben eine große Veränderung im Leben einer Frau ansteht. Es gibt uns Halt und Sicherheit zu wissen was oder wer wir sein wollen. Und ist genau das nicht auch der Grund, warum es uns manchmal so schwer fällt uns auf Neues einzulassen oder, wie in meinem Fall, es bei anderen zu akzeptieren. Vielleicht ist es die Sehnsucht nach Sicherheit und Stabilität, eine Möglichkeit den Mitmenschen zu zeigen, dass sie es mit einer sehr beständigen Person zu tun haben. Was mich betrifft so weiß ich eigentlich sehr genau warum ich heute hier sitze: Ich weiß wer ich bin und ab und an muss ich meine Haare eben schnell dem Rest angleichen. So war es schon immer. Völlig klar, dass es mich da kaum tangiert, wenn meine langen Haare zu Boden fallen. Es ist halt nur ein Schritt von vielen, wie das morgendliche auswählen der Kleidung oder das Einrichten der Wohnung. Inzwischen sind meine Haare wirklich sehr kurz. Ich sitze vorm Spiegel und freue mich. Man sieht der Friseurin an, dass sie leicht nervös ist: „viele Frauen müssen sich erst mal an ihren Anblick im Spiegel gewöhnen“ erklärt sie sogleich. Ich nicht. Für mich ist jeder Schnitt wieder ein kleiner Schritt zurück zu mir. Rein optisch. Ich wische die Gedanken beiseite, denn ich finde, ich habe diesem ganzen „was will ich darstellen Thema“ für heute genug Beachtung geschenkt. Es geht ja schließlich auch „nur“ um Haare... Und während ich mir gedankenverloren durch meine kurzen Haare streiche kommt mir ein anderes, wertvolleres Zitat in den Sinn: „Wie viele Sorgen verliert man, wenn man sich entschließt, nicht etwas sondern jemand zu sein.“ ... übrigens auch von Coco Chanel...