Samstag, 20. September 2014

Episode 29 – Hochzeitsglocken

Eine Hochzeit zu planen kann so vieles bedeuten: Vorfreude und Aufregung, Chaos und Stress, Recherche und Entscheidung... als meine gute Freundin bekannt gab, dass sie dieses Jahr heiraten würde, bedeutete es genau das und noch so viel mehr. Oft kann man erahnen wie viel Arbeit in der Organisation einer Hochzeitsfeier steckt, einige Male war ich auf Hochzeiten gewesen und hatte als Gast die perfekte Feier, die traumhafte Braut und die tollen Ideen bestaunt, aber noch nie hatte ich einen wirklichen Einblick in die Vorbereitungen einer solchen Feier bekommen. Dies sollte sich bei dieser Hochzeit ändern! Aber kurz ein Blick zurück. Es kommt mir wie gestern vor, als wir tränenüberströmt am Flughafen standen und unsere gute Freundin verabschiedeten, die einen Auslandsposten angenommen hatte. Vier Jahre. Das kam uns damals wie eine Ewigkeit vor. Wir alle sahen die Angst und die leise aufkommenden Zweifel in ihren Augen als sie durch die Sicherheitskontrolle ging und wir Mädels blieben traurig und voller Trennungsschmerz zurück. Aber eine Sache ahnten wir alle: Nach dieser Zeit würde nichts mehr wie vorher sein, denn wir hätten schon damals darauf wetten können, dass sie verheiratet, vielleicht sogar mit Kind zurück kommen würde. Es gibt einfach diese Menschen, bei denen man das weiß. Es freute uns sehr, überraschte uns aber nur wenig als wir, die Mädels, die sie damals weinend am Flughafen verabschiedeten, sie nun freudestrahlend zur Planung ihrer Hochzeit empfingen. Es hatte nur drei Jahre gedauert und aus den sechs Heulsusen waren sechs Brautjungfern geworden. Ich hatte mir bis zu diesem Zeitpunkt nie wirklich Gedanken über den Posten der Brautjungfer gemacht und hielt ihn mehr oder weniger für überflüssig. Ich kannte meine „Kolleginnen“ flüchtig. Von einigen Partys, vom großen Heulen am Flughafen, von gelegentlichen, zufälligen Treffen. Ich mochte sie alle, hatte aber noch nie wirklich Zeit mit ihnen verbracht. Mir war nicht bewusst, wie stark sich dies in den nächsten Wochen und Monaten ändern würde...Das perfekte Brautkleid zu finden ist wohl eine der schwersten Herausforderungen für eine Braut. Man sucht, probiert an, wägt ab und entscheidet sich. Theoretisch. Unsere Freundin probierte an, wägte ab und kaufte. Und kaufte nochmal. Das Kleid wurde erneut anprobiert. Das andere auch und hier ahnte ich zum ersten Mal, welche Stellenbeschreibung der Job Brautjungfer mit sich brachte:

 „Gesucht werden ab sofort sechs psychisch stabile und physisch gesunde junge Damen. Sie haben eine Engelsgeduld, können gut beruhigen verfügen über unglaubliche Überzeugungskraft?
Sie haben viel Zeit, weinen für ihr Leben gern und schämen sich nicht vor Tränen in der Öffentlichkeit?
Sie haben immer ein offenes Ohr, sind auch bei der schlimmsten Nachricht optimistisch und most of all: sie kennen den Unterschied zwischen apfelgrün und Granny Smith Apfel grün? Dann bewerben sie sich UMGEHEND mit Lebenslauf und Foto bei der Braut“

Ich würde gerne sagen, dass es lediglich bei dem Kleid Entscheidungsschwierigkeiten gab, aber das wäre gelogen. So folgte die Suche eines Hochzeitsfotografen, die Suche nach einer Location, der richtigen Dekoration für die Tische und die Kirche, die Caketopper, die Tischkarten, die Frisur, das Make up... zeitweise befürchteten wir, es müsse eine spontane Doppelhochzeit geben, denn von ALLEM hatten wir zwei, den Bräutigam zum Glück ausgenommen. Die Wochen verflogen, der große Tag rückte näher. Wir Brautjungfern telefonierten nun regelmäßig und informierten uns beinahe in organisierten Rundrufen über die neuste Krise. Diese hatte meist das Ausmaß von (gebrochene, schniefende Stimme) „die Blumen haben nicht den richtigen Farbton ... ahahallehehesss ist umsoooohohohnst“ und heimlich dachten einige von uns „pfff ... Bräute!!!“
Und dann gab es den Tag X an dem wir mit der Braut zusammen saßen, Details besprachen, Sekt tranken und sie ansahen und plötzlich verstanden, warum auch wir nie wieder glücklich sein würden, wenn die Blumen nicht genau den richtigen Farbton hätten. Es ist ein großer Tag im Leben einer Frau und wir kannten unsere gute Freundin schon so lange... wir wussten, wie wichtig dieses Fest für sie war und ohne es bewusst zu merken ließen wir uns anstecken von dieser Emotion, dieser Hingabe, dieser Fokussierung auf diesen einen besonderen Tag. Am Tag der Hochzeit war, wie hätte es anders sein können, alles perfekt. Ihr Kleid war ein Traum, die Tischdekoration wunderschön, die Kirche und die Location wie geschaffen für sie und ihren Mann. Noch lange tanzten wir Brautjungfern an diesem Abend, freuten uns immer wieder wie gut alles gelungen war und freuten uns etwas leiser, dies alles überlebt zu haben... und dann geschah etwas seltsames. Melancholie kam auf, ich würde fast sagen Trauer. Es war ein Gefühl wie nach einer Klassenfahrt, das Gefühl wenn vier Wochen Reiterferien vorbei sind oder man umzieht und sich von den Menschen verabschieden muss die einem lieb geworden sind.... diese Hochzeit hatte uns sechs zusammen gebracht und uns verbunden und so sehr man sich auch bemüht danach in engem Kontakt zu bleiben, so befürchtet man doch, dass die gemeinsame Verbindung fehlt... Vielleicht versuchen wir es mal mit einem Brautjungferntreffen, denn wenn es andere schaffen mit mehr als 20 ehemaligen ein Klassentreffen hinzubekommen, dann, so hoffe ich, sollten es doch auch sechs Brutjungfern schaffen...


Montag, 8. September 2014

Episode 28 – Großstadtliebe

Einer der Gründe, warum ich in den letzten Wochen viel zu wenig Zeit zu haben scheine, ist mein großartiger Sommerjob, den ich mir spontan zu meinem ohnehin ziemlich durchgeplanten Alltag zugelegt habe. Seit ich denken kann hasse ich das Fliegen und liebe die Flughäfen dieser Welt und ihre ganz spezielle Atmosphäre. Es ist dieses Gefühl von Freiheit und Abenteuer, dass mich fasziniert gepaart mit meiner Begeisterung fürs Weinen. Diese Begeisterung teile ich, wie ich kürzlich feststellen durfte, sogar mit einigen Freundinnen. Ich rede natürlich nur vom „guten Weinen“ und das bedeutet in diesem Fall aus Freude, aus Mitgefühl und vor Rührung und davon hat man auf dem Flughafen jede Menge. Es ist ein Paradies für alle Freunde des Heulens. Bei mir ist diese Gabe besonders ausgeprägt. Ich brauche nur jemanden anzusehen der aus dem Gate rausgestürmt kommt und jemandem in die Arme fällt und schon habe ich nasse Augen. An guten Tagen reicht auch schon eine Familie die ein „Willkommen zuhause“ - Plakat hoch hält. Meine Arbeit am Flughafen macht mir aber noch aus zwei weiteren Grünen großen Spaß: Zum einen erlebt man an kaum einem Ort den Menschen an sich pur so wie er wirklich ist, denn Flüge und Reisen im Allgemeinen bereiten den meisten Menschen Stress und so bekommt man ungefiltert die volle Palette menschlicher Wesenszüge. Zum anderen sehe ich es als meine Pflicht den Gästen und Reisenden einen möglichst guten Eindruck von meiner geliebten Stadt zu vermitteln. Natürlich ist mir bewusst, dass ich nur ein winzig kleiner Eindruck in einer Summe von Erfahrungen und Eindrücken bin, aber wenn es stimmt was man sagt (der erste Eindruck zählt, der letzte Eindruck bleibt) so bin ich am Flughafen dafür wenigstens genau an der richtigen Stelle! Mir selber ist dieser Gedanke das erste Mal gekommen, als ich mit einer lieben Freundin in London war. Mag es Zufall sein oder nicht, kaum standen wir mit einem Stadtplan in der Hand am Straßenrand, wurden wir angesprochen, ob man uns helfen könne. Mich hat das damals sehr beeindruckt, denn es hat mir als Tourist wirklich das Gefühl gegeben willkommen zu sein. Wir haben damals, zugegeben aus einer Sektlaune heraus, den Entschluss gefasst, Berlin nach außen so gut wie möglich zu repräsentieren. Natürlich ist dieser heldenhafte Gedanke nach und nach verblasst, doch nun da ich am Flughafen stehe kommt er mir wieder. Jeder bekommt ein Lächeln, jedem wird ein guter Flug oder eine gute Heimreise gewünscht und wenn jemand sich wütend über das Flughafenchaos in Berlin und den nicht fertig werdenden BBI auslässt, werde ich nicht müde die Passagiere so lange vom Charme und Charakter unseres kleinen Flughafens zu überzeugen, bis sie schließlich doch mit einem Lächeln in den Flieger steigen. Otto Lilienthal hat geschafft, was keiner erwartet hätte: er war der erste Mensch, der erfolgreich Gleitflüge mit einem Flugzeug absolvierte. Und irgendwie passt dieser Name zu unserem Flughafen der umgangsprachlich nur Tegel genannt wird, denn auch er leistet inzwischen mehr, als man je für möglich gehalten hätte. Auf dm Weg zur Arbeit fahre ich mit dem TXL Bus und als wir auf das Flughafengelände fahren ertönt die Stimme des Busfahrers: „So werte Damen und Herren, hier sind wa angekommen, ick wünsch ihnen nen ruhigen Flug und jute Reise, nehmen sie bitte alles ausm Bus mit, sie haben sonst nur unnötig Rennereien und besuchen sie uns bald ma wieda in Berlin, in diesem Sinne bis bald in unserer schönen Stadt“. Diese Ansage schafft beides auf einmal: Tränen in den Augen und das Gefühl von Stolz Berliner zu sein.