Samstag, 15. August 2015

Episode 39 - Forderungen und Verbindlichkeiten

Ich muss zugeben, dass ich wirklich tolle Freundinnen habe. Allesamt bildhübsch, intelligent und witzig und obwohl jede für sich einzigartig ist und keine der anderen ähnelt, haben unsere Freundschaften doch alle eine ähnliche Dynamik:
Mal ist der Kontakt sehr intensiv (meist in Phasen, in denen das Leben ein paar Stolpersteine für einen von uns bereithält), mal brauchen wir etwas länger, um uns wieder zusammen zu finden.
Mit Verabredungen läuft es ganz ähnlich.
Da gibt es die spontanen Verabredungen, die getroffen werden, wenn sich plötzlich eine Lücke in unseren stressigen Leben auftut und die lange geplanten. Ich liebe es, wenn meine Freundin Finja mich spontan anruft, weil ihr Freund länger arbeiten muss und ich tatsächlich grad Zeit habe auf ein Glas Wein rum zu fahren, oder wenn ich Esther nach einer Frühschicht anrufe, um mich nach der Arbeit noch auf nen Kaffee mit ihr zu treffen und sie zufällig grad keine anderen Pläne hat.
Solche spontanen Treffen können einem manchmal den Tag retten.
Wenn ich mich spontan mit meinen Freundinnen verabreden will, gibt es dafür meist nur einen Grund: ich habe Sehnsucht nach Gesellschaft.
Das klingt pauschal erstmal nicht so nett. Sehnsucht nach Gesellschaft hört sich sehr allgemein an, sehr unpersönlich. Wenn ich aber etwas genauer darüber nachdenke ist es doch genau das. Warum verabrede ich mich denn nach einem langen Arbeitstag oder an meinem einzigen freien Nachmittag, anstatt in Ruhe auf der Couch zu gammeln, oder etwas Zeit mit mir selbst zu verbringen?
Natürlich ist es eine Art von Sehnsucht! Sehnsucht nach einem bestimmten Menschen oder danach einfach zu reden und etwas abgelenkt zu werden. Spontane Anfragen meiner Freundinnen sind für mich also absolut positiv.
Zu diesem Urteil kam ich, während ich mit meiner lieben Kollegin im Auto saß und mal wieder in eine Unterhaltung über Männer und Beziehungen verwickelt war. Ihr Freund hatte sie wenige Minuten zuvor angerufen und gefragt, ob sie spontan Zeit hätte sich mit ihm zu treffen und sie hatte, ein wenig genervt, zugesagt. Genervt, weil sie ihn schon vor drei Tagen gefragt hatte, ob er Mittwoch Abend Zeit hätte, mit ihr ins Kino zu gehen, worauf er mit einem unschlüssigen "ich weiß noch nicht, Phillip wollte vielleicht was trinken gehen" geantwortet hatte. Ich kannte diese Situation nur zu gut und verstand, was sie nervte: eine geringe Entscheidungsfreude wenn es um eine verbindliche Verabredung mit ihr ging, gefolgt von einer spontanen Sehnsucht, sie doch zu sehen. Verbindlichkeit scheint in Beziehungen immer wieder ein Thema zu sein, welches zwischen Männern und Frauen für Konflikte sorgt. Verbindlichkeiten bezeichnen im Schuldrecht die Verpflichtung eines Schuldners gegenüber dem Gläubiger.
Das klingt ziemlich unattraktiv. Danach ist eine Verbindlichkeit eine Schuld, eine Last, eine offene Rechnung.
Kein Wunder also, dass so etwas für einige Männer nicht sonderlich erstrebenswert klingt.
Ich dachte an meine Mädels. Das besondere an unseren spontanen Treffen war, dass sie sich zusätzlich und unerwartet zu unseren ansonsten sehr geplanten, organisierten Verabredungen ergaben.
Jede meiner Freundinnen hatte ein vollgepacktes Leben. Jede für sich jonglierte mit ihrer Beziehung, ihrer Familie, ihrem Job, ihren Hobbies und schaffte es trotz allem, mich in dieses ganze Chaos einzuplanen.
In Gedanken blätterte ich meinen Kalender durch:
Freitag Shopping mit Felicitas (geplant seit drei Wochen)
Montag Training und Essen gehen mit Yvonne (geplant seit zwei Wochen)
Und übernächste Woche Wellness mit Maren (geplant seit vier Wochen). Warum fiel es vielen Männern nur immer wieder so schwer zu planen und sich damit "verbindlich" zu machen? Das Gegenstück zu Verbindlichkeiten sind Forderungen. Lag es daran? Waren wir Mädels generell zu fordernd wenn es um unsere Beziehungen ging? Mir ist klar, dass es auch die Männer gibt, die mit Freude im Mai die Silvesterparty planen oder den Urlaub im November. Während ich noch überlege bekomme ich eine Nachricht: "ich könnte in zwei Wochen bei dir sein, kann ich dich einplanen :) ?"Ich musste lächeln. "Absolut und verbindlich :) !" antwortete ich und fragte mich im selben Augenblick ob es die Entfernung war, die uns gelehrt hatte zu "planen" oder eine Weiterentwicklung unserer Beziehung. So oder so. Ich schaute zu meiner Kollegin und konnte nicht anders als ihr mal wieder recht zu geben: "Ich weiß, was du meinst, trotz aller spontanen Dates ist es hin und wieder auch ganz schön, wenn jemand mit dir plant".


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