Samstag, 19. September 2015

Episode 44 – Deal or No Deal

Ich werde nie vergessen, wie ich mit 18 Jahren meinen ersten Vertrag selbst unterschrieb. Es war 1998 und natürlich war es ein Handyvertrag. Klar, man war erwachsen, durfte jetzt selbst für sich entscheiden, aber es war alles noch etwas ungewohnt und beängstigend. Ein Vertrag! Was da alles hätte passieren können… und das ganze Kleingedruckte erst! Jeder warnte einen vor dem Kleingedruckten!
Daher fand ich es wichtig und gut meinen Papa dabei zu haben, der nochmal über alles drüber schaute und das änderte sich auch in den nächsten Jahren und bei allen wichtigen Verträgen nicht. Ich bewunderte Niko, der ganz alleine Mietverträge abschloss, Autos kaufte und verkaufte und scheinbar alle großen Entscheidungen für sich alleine traf. Wie ein richtiger Erwachsener. Auch mit 34 Jahren finde ich es beruhigend, so etwas nicht alleine tun zu müssen.
Ein Deal, ein Geschäft, ein Vertrag,… das sind richtig ernste Dinge und können einem schon beim kleinsten Fehler schwere Verluste einbringen - draußen in der realen Welt in der es nur um Zahlen, Gewinne und Geld geht.
Private „Verträge“ habe ich immer alleine abgeschlossen! Immer! Evtl. habe ich im nachhinein davon erzählt, aber egal ob es um eine Reise, eine Beziehung, eine Freundschaft, ein Versprechen ging die ich da „unterschrieb“, es lag immer bei mir: Ich fliege in drei Wochen in die USA…, ich werde für 5 Wochen nach Thailand…, ich habe mich getrennt…, ich habe XY versprochen…
Warum glauben wir, glaube ich, dass ein „Erwachsener“ sehr wohl über meine offiziellen Verträge einen Blick werfen sollte, bevor ich sie unterzeichne, nicht aber über meine privaten?
Liegt es daran, dass man aus privaten Deals leichter rauskommt, keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat? Wie oft hat man so einen privaten Deal platzen lassen, wie oft wurde ein Deal von der „Gegenpartei“ schon gebrochen? Und welche Schäden, welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Der Schaden der bei einem offiziellen Vertrag entsteht ist meist materiell und von uns allen gefürchtet, der emotionale Schaden den ein geplatzter „Vertrag“ im privaten mit sich bringt scheint nicht ganz so gefürchtet zu sein. Ist es aber nicht dieser emotionale Schaden, der uns in Wirklichkeit viel stärker belastet, der uns schlaflose Nächte kostet und der uns traurig und deprimiert stimmt? Angefangen vom versprochenen Eis, dass es dann nach dem Shoppingmarathon mit den Eltern doch nicht gab, weil die Eisdiele schon zu hatte, bis hin zu den Versprechen die man in einer Beziehung bekam, einen gewaltigen Schaden verursachten sie doch alle: sie zerstörten Vertrauen! Es wurde einem nicht komplett genommen, genau wie bei einem offiziellen Vertrag war man oft nur um ein paar Taler ärmer und um eine Erkenntnis reicher, aber nach und nach bröckelt es, nach und nach verbraucht sich das Guthaben auf dem Konto, besonders, wenn es sich um „Verträge“ mit der immer wieder gleichen Person handelte.
Einen erheblichen Unterschied gab es da aber dennoch: Lernte man seine Lektion bei Firma XY, so hatte man wenigstens gelernt, DIESER Firma nicht noch einmal zu vertrauen. Bei Menschen ist man da großzügiger. Eine Person kann ein Dealbreaker sein… immer und immer wieder und doch unterzeichnet man bei einem verlockenden Angebot auch ein drittes, viertes oder zehntes Mal.
Das Vertrauen in Personen ist wohl einfach größer als in anonyme Firmen und Institutionen, vielleicht überwiegen aber auch einfach die positiven Erfahrungen, die man zwischendurch immer mal wieder gemacht hat.
Ich kann mich dennoch, nach diesem ganzen Monolog über Verträge, Geschäfte, Deals der Frage nicht erwehren: brauchen, nein sollten wir private Verträge nicht vorher von einem Sachverständigen überprüfen lassen?
Wenn wir Herr über UNSER Geld sind, genauso wie Herr über UNSERE Gefühle… wäre es da nicht naheliegend, auch bei Gefühlsfragen eine zweite Meinung einzuholen, bevor wir unterzeichnen und viel wichtiger: sollten wir auf diese dann auch hören?
Ich denke, die Natur hat das ganz clever gemacht: Entscheidungen aus dem Bauch heraus, die Gabe (der meisten Menschen) immer wieder zu vertrauen, zu hoffen und zu verzeihen, ist es, was unsere Spezies am Leben hält, was ein Zusammenleben überhaupt ermöglicht.
Wie schrecklich wäre das Leben, würde man jeden „Vertragsbrecher“ für immer meiden und mit Ignoranz bestrafen. Würde jede gelernte Lektion dazu führen, dem nächsten Menschen vorsichtig und argwöhnisch gegenüber zu treten.
Und so werden wir auch in Zukunft unsere Entscheidungen alleine treffen, Fehler machen, enttäuscht werden… oder überrascht, erleichtert, belohnt.
Das Leben ist ein riesiges Abenteuer und wenn man sehr viel Glück hat kann man den Deal seines Lebens abschließen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen