Samstag, 12. September 2015

Episode 43 – Glaskugel 2.0

Manchmal dreht man sich im Kreis. Man kann sich hundert mal über das gleiche Thema streiten und doch zu keiner Lösung kommen, man kann die eigene Tagesplanung 10 mal überdenken und immer wieder zum dem Ergebnis kommen, dass der Tag einfach zu wenig Stunden hat um alles darin unterzubringen und manchmal stellt man auch fest, dass die Episode, die man schon vor 1,5 Jahren geschrieben hat, genau das ausdrückt, was man gerade empfindet.
Wir alle streben nach Weiterentwicklungen. Wir sind uns sicher, dass wir, wenn schon älter, doch wenigstens auch erfahrener, klüger, besser werden. Wir kämpfen ständig mit den beiden kleinen Stimmen.
Der etwas altklugen Stimme, die uns belehrt und die Vergangenheit belächelt.
Der Stimme, die uns einredet, dass wir die Vergangenheit hinter uns gelassen haben, dass wir nun jemand anderes wären und die Probleme aus vergangenen Tagen nicht mehr die unseren sein können.
Und dann gibt es da die Stimme, die uns warnt.
Das kleine Mädchen in uns, dass sich sehr gut an die Schmerzen, Zweifel und Ängste der Vergangenheit erinnern kann und sich insgeheim fragt, warum es denn jetzt anders sein soll.
Mitte 20 ist die erste Stimme meist ziemlich laut und in vielen Entscheidungen sehr dominant. Wir wissen es besser. Wir glauben aus den Fehlern unserer Jugend gelernt zu haben. Man ist gerade erwachsen genug, um zu wissen, wie das Leben funktioniert und noch immer jung genug, um sich in jedes neue Abenteuer zu werfen, das das Leben für einen bereit hält.
Mitte 30 sieht das schon wieder ganz anders aus. In einem Alter (und hier wiederhole ich mich nun) in dem viele Frauen nach Sesshaftigkeit, Haus, Ehemann und Familie streben, scheinen sich Männer Mitte 30 oft noch nicht so wirklich gefunden zu haben.
Mit 24 verlassen zu werden ist furchtbar und zerreißt einem das Herz, eine Beziehung mit 34 aufzugeben, ist für viele Frauen so etwas wie das Ende der Welt.
Es ist in diesem Moment nicht nur der Herzschmerz und der Abschied von dem geliebten Partner, sondern auch oft das Ende eines schönen Traums von Haus, Hund, Mann und Kind.
Natürlich kann man nicht alle Männer und alle Frauen um die 30 über einen Kamm scheren. Natürlich gibt es auch Männer die sich sehnlichst eine Familie wünschen und Frauen, die ihre neu gewonnene Freiheit ausleben… wenn ich mich aber umsehe, mit Freundinnen spreche oder in mich selbst reinhorche, so stelle ich doch fest, dass die Stimme des kleinen unsicheren Mädchens mit jeder Trennung die wir fern der 20 verkraften müssen lauter wird.
Auf einmal zweifeln wir daran etwas gelernt zu haben. Wir zweifeln daran, dass je wieder einer kommen wird, der uns gefallen wird, dass wir je wieder Lieben werden. Wir fragen uns, warum es je anders werden sollte, warum der nächste Mann UNS treu sein sollte und am schlimmsten: wir stellen uns selbst in Frage. Wir zweifeln an unserem Aussehen, unserer Intelligenz, unserem Humor…
Es bricht mir das Herz mitanzusehen wie immer wieder bildhübsche, intelligente, interessante Frauen in einen Strudel von Selbstzweifeln gerissen werden, nur weil der letzte Partner sich nicht „sicher“ war, oder einfach nicht früh genug zugeben konnte, dass er selber gar nicht weiß, was er will. Was daraus folgt ist ein Orakeln 2.0.
Es ist wie der Blick in eine Glaskugel in der wir unsere Zukunft, verzerrt und unrealistisch betrachten und wir fangen an diese Jahrmarktattraktion, die wir im realen Leben für Hokuspokus halten würden, ernst zu nehmen. Wir können erwachsene Frauen sein, mit guten Jobs und tollen Wohnungen, wir wissen rational ziemlich genau, dass niemand sagen kann, was die Zukunft bringt, aber denken dennoch, ganz genau zu wissen was passieren wird…
Die selbsterfüllende Prophezeiung beschreibt das Phänomen, dass ein erwartetes Verhalten einer anderen Person durch eigenes Verhalten erzwungen wird. Erwartet jemand ein bestimmtes Verhalten von seinem Gegenüber, erzwingt er durch eigenes Verhalten genau dieses Verhalten.
Den Begriff erwähnte Otto Neurath erstmals 1911. Als Auslöser für die Verbreitung beider Begriffe gelten jedoch mitunter Paul Watzlawick und Robert K. Merton. Dieser bezeichnete den Denkfehler, die eigene Rolle zu übersehen und die Ereignisse dann als Beweis für die eigene Vorhersage anzuführen (soweit Wikipedia).

Aber ist das so einfach? Sind wir selbst „schuld“ am Verlauf unserer Beziehung oder sind die Männer alle verkorkst?
Und viel wichtiger: Zerstören wir durch unser Verhalten konsequent unsere Beziehungen?
Ich sage mir das Gleiche, was ich Finja am Sonntag sagte: wir sind keine 20 mehr (und das ist gut so), aber wir sind auch noch jung genug uns auf ein Abenteuer einzulassen. Ein Abenteuer, welches jede neue Beziehung mit sich bringt und vielleicht können wir von unserer Vergangenheit nicht nur die negativen Erfahrungen mit in die nächste Beziehung mitnehmen, sondern auch ein wenig von der ersten, selbstbewussten Stimme die uns sagt, dass wir durchaus, besser, klüger und irgendwie ein bisschen „weiser“ geworden sind.
Diese Stimme die in unsern 20ern so dominant und unerschrocken war und uns dazu gebracht hat, offen und mutig in eine neue Beziehung zu starten.
Eine Beziehung ist Arbeit und selbst Hollywood zeigt uns nicht, was nach dem Happy End passiert.
Vielleicht ist es Zeit die Glaskugel im Keller einzumotten. Natürlich sind wir nicht mehr 20 und ich plädiere nicht dafür blauäugig und naiv in die nächste Beziehung zu stolpern, sondern neugierig und offen. Jede von meinen Freundinnen hat den Jackpot verdient… und ich bin mir sicher, den werden sie finden… auch ohne Glaskugel!


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