Mittwoch, 14. Oktober 2015

Episode 46 – Fairplay

Manchmal scheint es, als würde die Zeit einfach so vergehen. 
Als wäre jeder Tag wie der Andere. 
Manchmal schlage ich meinen Kalender auf und bemerke, dass das Bändchen, welches die aktuelle Woche markiert, noch zwischen den Tagen von vorletzter Wochen klemmt und frage mich dann, wo die Zeit hin ist. 
Manchmal blättere ich zurück und sehe eine Notiz, die einen Countdown bis zu einem bestimmten Tag enthält „Noch 14 Tage bis zum Urlaub“, „Noch 4 Wochen bis…“. Ich erinnere mich dann ganz genau an die Vorfreude und das Gefühl , das ich in diesem Moment verspürte und frage mich, wohin die Zeit ist… 

Wenn ich mir alte Fotos ansehe, von Klassenfahrten, Wandertagen, Trainingslagern oder Kindergeburtstagen wird mir immer bewusst, wie langsam die Zeit vergangen ist, als ich noch klein war. Sommerferien dauerten ewig, eine dreitägige Klassenfahrt fühlte sich wie eine richtige Reise an und Freundschaften schloss man fürs Leben.

Und während ich die Kinderbilder so betrachte, macht sich ein zweites Gefühl in mir breit: ich vermisse die Sicherheit zu wissen, dass man mit der Wahrheit immer auf der richtigen Seite  steht, dass es immer besser ist ehrlich zu sein als zu flunkern. 
Die Sicherheit, dass man Recht bekommt wenn man Recht hat.
Es gab in meiner Kindheit bestimmt Situationen, in denen ich bockig war, weil mir etwas nicht passte, weil ich etwas ungerecht fand. Ich kann mich aber tatsächlich an keine Situation erinnern, in der ich tatsächlich großes Unrecht erlebt hätte. Und selbst wenn wir uns an Situationen erinnern, so sind es meist einzelne Momente, vermutlich entstanden durch Missverständnisse. Das Grundgefühl das beim Betrachten der vielen Bilder bleibt, ist ein tiefes Vertrauen in die Wahrheit.

Ich frage mich unwillkürlich, ob nur ich das so wahr nehmen oder ob es die Welt um mich rum einfach beim Erwachsenwerden verloren hat. 
Es beginnt oft schon im Job. Loyalität, Diplomatie,… schöne Worte, die für die falsche Sache missbraucht werden. Es gibt nur wenig Firmen, in denen die ehrliche Meinung der Mitarbeiter gefragt ist. Gewünscht und erwartet wird ein Klatschen, ein Nicken, ein falsches Lob, dabei wäre wohl vielen Arbeitgebern zu raten, ihren Mitarbeitern für ehrliche Rückmeldungen zu danken. In meinen ersten Jobs hatte ich damit erhebliche Probleme. Es widerstrebt mir zu heucheln und zu lügen und so konnte ich schon mal zur Abteilungsleiterin gehen und ihr sagen, dass ich es unfair fand, dass sie die Aushilfe vor der Geschäftsführung für ihre eigenen Fehler verantwortlich machte. Das kam nicht so gut an.     
Ich fand es auch nur fair, meine Bedenken zu einer geplanten Aktion mitzuteilen, anstatt mit allen anderen vor gespielter Begeisterung auf den Tisch zu klopfen. Auch das kam nicht gut an.

„Mit den Jahren (und mit den Jobs) lernt man, wann es gilt die Klappe zu halten, wann es gilt zu klatschen und wann es gilt zu jubeln“, erklärte mir eine Freundin letzte Woche bei einem Spaziergang.

Ich finde das frustrierend. Da bemühen sich die Eltern um eine gute Erziehung („sei höflich, sei freundlich, lüge nicht, sei fair, sei rücksichtsvoll…“) Und mit einem Schlag soll man als Erwachsener umlernen. 
Vielleicht  wird der Grundstein dafür schon viel früher gelegt. Bestimmt sogar. Alles entscheidet sich ja quasi in der frühsten Kindheit. Ich beobachte immer wieder, dass es auch in diesem Bereich zwei Typen von Kindern gibt. Es gibt die Kinder, die heulen und schreien und strampeln und bocken, weil sie nicht verstehen, warum ‚Lena‘ heute mal die Prinzessin spielen darf. Ich befürchte immer, dass das die Kinder sind, denen auch Zuhause nie viel erklärt wurde. Und dann gibt es die Kinder, die sich ganz schnell beruhigen und aufmerksam zuhören wenn man ihnen erklärt warum ‚Lena‘ das darf und warum das jetzt gerade nur fair ist. Diese Kinder kommen dann danach oft zu mir und erklären, warum sie sauer waren oder überraschen mich beim nächsten Mal mit gut durchdachten Vorschlägen. 
Ich glaube Fairness und Ehrlichkeit liegen in der Natur des Menschen. 
Es sind Grundbedürfnisse, welche im Erwachsenenalter zum Teil aus Angst an Bedeutung verlieren können.
Angst davor, den Kürzeren zu ziehen, Angst vor Benachteiligung, Angst vor Konsequenzen...
Ich freue mich immer, wenn ich auf Menschen treffe, die sich das gleiche positive Gefühl aus der Kindheit behalten haben. Ganz besonders, wenn es Freunde oder Bekannte sind, die in Führungspositionen arbeiten… denn im Grunde ist Mitarbeiterführung ja auch ein klein wenig, wie Kindererziehung und so kann man nur hoffen, dass diese Menschen etwas von ihrer Art an ihre Schützlinge vererben.




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